Im neuen Projekt des Kölner Musikers Matthias Mainz begegnet der kanadische Sound-Poet Chris Tonelli der Klangkünstlerin Echo Ho und dem frei improvisierenden Trio um Mainz, den Kontrabassisten Christian Ramon und den Schlagzeuger Peter Kahlenborn.
Der Klang des Jazzklaviertrios setzt hier den stilistischen Bezug – jedoch ist es eher eine Assoziation an den frei improvisierten Jazz der späten 60er und früheren 70er Jahr mit deutlichen Öffnungen an zeitgenössische Musik.
Chris Tonelli montiert Versatzstücke eigener Texte und improvisiert dabei virtuos mit Sprache, Lauten und Sprachgeräuschen. Anfang der 2010er Jahre collagierte Tonelli Texfundstücke und organisierte die entstandenen Gedichte in Matritzen, um diese als Material in seinen abstrakten Vokalimprovisationen nutzen zu können.“Kim Jong Un made a pencil drawing“ und „With 50 Million Euros“ sind frühe Arbeiten Tonellis, die inhaltlich den Bogen von Manipulation durch Sprache – als Reflexion über die Globalisierung der Kolonialisierung des Unterbewusstsein durch Celebrity-Begriffe – über verschiedenen Formen von Manipulation und Ausbeutung bis zur Ökologie schlagen. In Tonellis Matritzen und Lautperformances oszillieren Inhaltlichkeit und Klanglichkeit miteinander und ebensososehr, wie die Texte als gegenwartskritische Reflexionen gehört werden können, empfindet Tonelli sie als Spiel mit der „Erotik von Silbenketten, die unter dem Gaumenzäpfchen, über die Zunge und über die Lippen vorbeischlüpfen“.
Chris Tonelli
Chris Tonelli ist ein Extended Voice Performer und Autor aus Toronto. Tonelli ist international als Performer aktiv, arbeitet als Assistant Professor für History and Theory of Popular Music an der Universität Groningen zur Geschichte und Theorie von Vokalltechniken und Improvisation und hat hierzu den Band Voices Found: Free Jazz & Singing veröffentlicht. Chris Tonelli und Matthias Mainz lernten sich im Rahmen des deutsch-kanadischen Kooperationsprojektes Aurealities – A Tribute to Paul Dutton kennen, das 2021 in Köln und Berlin aufgeführt wurde.
Echo Ho
Die aus Peking stammende Kölner Medienkünstlerin und Klangperformerin Echo Ho arbeitet mit der „Slow Qin“ an der Transformationsprozess ihrer Ursprünge. Hierzu hat sie das traditionelle chinesische Instrument mit einem Plexiglas-Körper nachgebaut und mit vielfältigen Sensoren und Triggern ausgestattet. Ho’s Werke wurden unter anderem im He Xiangning Kunstmuseum Shenzhen, Centre-A Vancouver, ISEA, ZKM Karlsruhe aufgeführt und ausgestellt. Sie war Fellow an der Interdisziplinären Graduiertenschule für Künste und Wissenschaften der Universität der Künste Berlin und ist derzeit Doktorandin am Tangible Music Lab in Linz, Österreich.
Christian Ramond/Peter Kahlenborn
Die letzte Zusammenarbeit mit Christian Ramond und Peter Kahlenborn liegt für Matthias Mainz mehr als zwanzig Jahre zurück – beide waren Teil des Jazzensembles mit Achim Kaufmann, Claudius Valk und Ramesh Shotham, mit er gegen Ende seines Studiums (als Trompeter) auskomponierte Pianosequenzen über Freejazztexturen montiert hatte. Beide sind seit Ende der achtziger Jahre je fester Bestandteil der Kölner Jazzszene und schlagen in ihrer Arbeit als Sideman die Brücke vom klassischen Modern Jazz bis zu frei Improvisierten Musik – so finden sich in der Liste der Musiker*innen, mit denen sie gespielt haben, so unterschiedliche national wie international bedeutende Musiker*innen wie Jarry Singla, Celine Rudolph, Jürgen Friedrich, Peter Weniger, Axel Dörner, Sebastian Gramss, Carl Ludwig Hübsch, Chuck Israels, John Ruocco, Lee Konitz, Jimmy Halperin, Ramesh Shotam, Luluk Purwantu, Julian Argüelles und John Taylor (Kahlenborn) und Theo Jörgensmann Quartett, Jens Düppe Quartett, Engstfeld/Weiss Quartett, Joe Pass, Lee Konitz, Dave Liebman, Kenny Wheeler, Charlie Mariano, Thomas Stanko, Albert Mangelsdorf, Randy Brecker, Philippe Catherine (Ramond).
Matthias Mainz
Matthias Mainz arbeitet seit Anfang der Nullerjahre an multistilistischen Improvisationsräumen, in denen unabhängige stilistische Genre-Einflüsse in einem improvisatorischen Fluss auftauchen, sich gegenseitig kommentieren, beinflussen oder aufstören dürfen. Die Partner*innen, die Mainz in seinen Projekten zusammenstellt, bestimmen dabei natürlich ganz entscheidend die Felder der Interaktion mit ihren Künstleridentitäten, Instrumentarien und Klangmitteln. Durch die Kontexte, in denen die Projekte stattfinden – und natürlich durch die musikalischen Kontexte, die die Künstler*innen mitbringen und mit denen sie assoziiert werden, neigen sie sich dann eher dem einen oder anderen Genre zu und werden dann unterschiedlich verstanden als elektroakustische Musik, Medienkunst, Neue Musik, Improvisierte Musik, Globale Musik oder hier eben: Jazz. Für Mainz sind die musikalischen Identitätsbezüge, die in die Improvisationen einfließen, immer zumindest beides: Genrereferenz aus ihren jeweiligen Kontexten und in einem fragilen Schwebezustand, aus dem heraus sie immer neu oder anders gehört und verstanden werden können.
Chris Tonelli – Extended Voice, Text
Echo Ho – Slow Qin/Live Electronics
Matthias Mainz – Piano
Peter Kahlenborn – Schlagzeug
Christian Ramond – Kontrabass
Eintritt: 15/10€
Das Projekt wurde möglich durch die Unterstützung und den kurzfristigen Impuls des „Aktivierungsprogramm Visitenkarten“ des Landesmusikrates NRW aus Mitteln des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.