Dominik Raab liebt es zu beobachten. Für den Kölner Schlagzeuger und Komponisten ist der Alltag voller Anregungen für seine Musik, selbst im Supermarkt findet er sie. So etwa, wenn dort seine bevorzugte Kaffeesorte Mocambo erst aus einem diebstahlsicheren Verkaufsschrank geholt werden muss. „Steht man an der falschen Kasse“, erzählt Raab, „spürt man förmlich den Druck der Anstehenden. Die Verkäuferin muss den Kaffee von einer anderen Kasse herüberholen, was zu Stau und Zeitdruck in der Schlange führt. Diese Mischung aus Aggression, Verzweiflung und beklemmender Hilflosigkeit habe ich humorvoll-melancholisch im Titelstück meines neuen Albums verarbeitet.“
Die kleine Anekdote sagt einiges über Raabs sympathische Art der Wirklichkeitsaneignung mittels Musik. Doch auch ohne sie zu kennen, kann man sich von „Mocambo Affair“ begeistern lassen. Vielleicht hat man bei diesem lebensfrohen Bossa mit leichtem Latin-Touch dann nicht den Geruch frischer Bohnen in der Nase, dafür könnte man aber an den legendären Nachtclub Mocambo in New York denken, wo einst Frank Sinatra seine Solokarriere begann – und wo man sich auch Dominik Raabs Quartett ganz wunderbar vorstellen kann: mit Jazz, liebevoll gespeist aus der Tradition von Swing und Bebop, dabei zugleich modern, frisch und durch und durch gegenwärtig.
Dominik Raabs „Mocambo Affair“ ist ein Studioalbum, reich an Stimmungen, Farben und Rhythmen. Aufgenommen und abgemischt wurde es von Clemens Orth im Salon de Jazz, in Orths kleinem, aber höchst feinem Studio in der Kölner Südstadt, in dem auch Live-Konzerte stattfinden. Dessen konzentriert-intime Raumdichte dürfte sich ein gutes Stück ins Album „Mocambo Affair“ eingeschrieben haben – und damit zusätzlich zum maximalen Hörvergnügen dieses rundum geglückten Albums beitragen!
Nach „Choose Loose” (2022) ist es das zweite Album, das Dominik Raab zusammen mit Tony Lakatos, Billy Test und Doug Weiss eingespielt hat. Wie der Erstling des Quartetts besteht auch „Mocambo Affair“ ausschließlich aus Eigenkompositionen Raabs, wobei die neun neuen Stücke sogar noch zupackender, noch leidenschaftlicher klingen. Mit traumwandlerischer Sicherheit ergänzen sich Lakatos, Test, Weiss und Raab zu einem virtuos miteinander agierenden Team, das Raabs Kompositionen erstrahlen lässt. So ist „Mocambo Affair“ ein Werk wie aus einem Guss und bietet Hörgenuss pur.
In der Dramaturgie wechseln temperamentvolle Up-Tempo-Stücke mit stimmungsvollen Balladen, die allesamt ideenreich variiert und improvisatorisch vertieft werden. Man achte nur einmal genauer auf die vielen kleinen, höchst delikaten Übergänge zwischen den Soloparts, in denen der musikalische Staffelstab mit souveräner Eleganz weitergereicht wird! Bereits der Opener „Staring at the Sun“ fußt auf wenigen, markanten Tönen, hier vom Klavier, baut danach ohne Umwege eine relaxte Spannung auf, tankt mit jedem Solo mehr Energie und bleibt doch so cool wie der rosarote Panther aus der berühmten Zeichentrickserie, an die man sich musikalisch erinnert fühlt. Bis auf eine kleine Schlussvolte hält sich der Schlagzeuger Raab vornehm zurück und erdet doch höchst präzis getaktet die Ausflüge seiner Kollegen. Wie ein Gegenstück dazu mutet das rasante „Quick Sip“ an: Wenn Tony Lakatos und Billy Test mit brillanten Soli über das heftig wirbelnde, zum Ende ebenfalls kurz und knackig solierende Schlagzeug fliegen, werden auch hier Assoziationen an den rosaroten Panther geweckt – wobei dieser sich hier nun gewitzt und cool dem Zugriff seines rasenden Verfolgers Inspektor Clouseau entzieht.
Was beeindruckt mehr an diesem mitreißend klugen, bestens unterhaltenden Hörerlebnis? Sind es die punktgenau ausgespielten Soli? Oder ist es doch eher der dichte Gruppensound, bei dem die Quartett-Mitglieder stets respektvoll auf Augenhöhe agieren? Besonders in „Add 4“ verschmilzt ihr Spiel zu einer dichten Einheit von brodelnder Dynamik. Wie in allen Stücken ist Tony Lakatos auch hier sein eigenes Kraftfeld, spielt voluminös, warm und elegant wie einst Sonny Rollins, der in seinem Calypso-Klassiker „St. Thomas“ auf ähnliche Weise durch den karibischen Rhythmus tänzelte. Nicht weniger in Hochform treibt Bassist Doug Weiss das Geschehen souverän voran, während Billy Tests Spiel besonders variationsreich erstrahlt. Raab setzt ebenso präzise wie gefühlvoll seine Akzente am Trommelrand und an gleißenden Becken und sorgt für die finale Einheit.
Abschließend ein kleiner Lobgesang auf Raabs großartige Balladenkunst: „Emil“ trägt den Namen seines 2021 geborenen Sohns, das gefühl- und liebevolle Stück ist Raabs „persönliche Widmung und Verneigung vor dem Wunder der Geburt“. Ähnlich stimmungsvoll (und mit feinen Soli von Weiss, Test und Lakatos) verzaubert das Stück „Alfred Jodokus Kwak“, dessen Titel den Namen einer Musikfabel des niederländischen Liederkomponisten Herman van Veen trägt. Wer weiß, vielleicht ist van Veens liebenswürdige, gelbe Ente ja eine weitere Hommage an Sohn Emil – oder man liegt damit komplett falsch und Dominik Raab hat diese feine Ballade aus einer ganz anderen Alltagsbetrachtung heraus ersonnen. In jedem Fall aber ist das Stück eine weitere von neun Perlen – und Dominik Raab ein großartiger, fabulierfreudiger Erzähler musikalischer Geschichten.
Tracklist
01 Staring at the Sun 05:31
02 Narc and Bark in the Park 06:02
03 Emil 05:28
04 Add 4 04:04
05 Alfred Jodokus Kwak 04:50
06 Smirk 04:27
07 Mocambo Affair 04:41
08 Quick Sip 03:34
09 Sneaky 03:45
Besetzung
Tony Lakatos – Tenor Saxophone
Billy Test – Piano
Doug Weiss – Bass
Dominik Raab – Drums
Infos zur Produktion
Recorded & mixed by Clemens Orth at Salon de Jazz, Cologne.
Mastered by Thomas Ölscher at Railroad Tracks Studios, Kerpen.
Produced by Dominik Raab & Jens Bosch (Executive Producer)
Design by Katerina Trakakis & Svenja Wittmann.
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