DATUM: 5. April 2025
ZEIT: 20h
Lottchen 5. April 2025

Vibrafon und Gesang, diese rare Kombination entfaltet bei ihnen einen unwiderstehlichen Charme.
Ihre Kraft schöpfen sie vor allem aus der Ruhe: Lässige, versammelte, manchmal engelsgleiche,
dann wieder raue und erdige Töne erklingen hier. Immer ist das überraschend und
abwechslungsreich, gehören die beiden doch zur jungen Jazzer-Generation, die ohne Scheuklappen
durch die Musikgeschichte und ihre Stile streift. So spielen sie sich auf ganz eigene Weise durch
Brasilianisches, Chansoneskes, arabeske Lautmalereien, hymnische Vokalisen, swingenden Pop
oder gar Tango. Herausragendes rhythmisches Gespür trifft dabei auf virtuose Musikalität und echte
Songwriting-Qualitäten, wie auch ihr neues Programm “Tales For My Mother” nach de

Lottchen: „Tales For My Mother“
Von „raffiniert gewobenen Klang-Parcours“ (In-Music), von „subtilen Hörabenteuern“
(Jazzthing) und von „unwiderstehlichem Charme“ (Süddeutsche Zeitung) schwärmen
Kritiker seit 14 Jahren. Seit es Lottchen gibt, das Duo der Sängerin Eva Buchmann
und der Vibrafonistin Sonja Huber. Und vielleicht hätte diese rare und intime
Kombination von Vibrafon und Gesang eine noch größere Wirkung entfaltet, hätten
die beiden nicht zweimal eine Baby-Pause eingelegt. Andererseits würde es sonst
vermutlich das einzigartige Projekt nicht geben, das die beiden nun fertiggestellt
haben: „Tales For My Mother“, das neue Lottchen-Album nach den preisgekrönten
„Lazy Afternoon“, „Travelling Birds“ und „Quiet Storm“, ist eine Ode ans Mutter-Sein,
inspiriert von ihren Müttern wie von der eigenen Mutterrolle, von unerfülltem
Kinderwunsch, aber auch von „Mutter Erde“ und der Suche nach den eigenen
Wurzeln.
Eine ganz persönliche Angelegenheit also, weshalb auch alle Stücke selbst
komponiert und betextet sind – alle bis auf „Say A Prayer“, das von der auf Hawaii
lebenden Improvisations-Koryphäe Rhiannon stammt, die viel mit Weltstar Bobby
McFerrin und Grammy-Gewinner Lawrence Hobgood arbeitete und seit einer
Begegnung 2018 zu einer musikalischen Mutterfigur für Eva Buchmann geworden ist.
Was das bislang poetischste, emotionalste und dichteste Werk von Lottchen ergibt.
Ein intimes Liederalbum zwischen Jazz und Singer/Songwriter-Pop, das sein Thema
in vielen Variationen erzählt: Von der Erinnerung an ein beseeltes Elternhaus („Acre
of Land“) über die logischerweise unterschiedliche Weltsicht der Generationen
(„Turning Pages“) zum magischen Moment, das eigene Kind nach der Geburt zum
ersten Mal im Arm zu halten („Here We Are“). Vom Spiel der Kinder („Jael“) bis zum
Funken des Lebens, wie er sich im Leuchten der Augen einer 100-Jährigen ebenso
zeigt wie im Lachen eines Bestatters („The Spark“).
Eine ebenso berührende wie spannende Reise durch das Wunder des Lebens und
Leben-Schenkens im unverwechselbar lyrischen Stil des Duos. Ganz auf ihr Thema
und ihre Melodien konzentriert, verzichten Buchmann und Huber diesmal auf die
gewohnten Ausflüge in den Tango oder zur brasilianischen Musik. Umso variabler
und detailreicher fangen sie die Atmosphäre und Stimmungen ihrer Songs ein. Und
werfen dabei ihre herausragende Musikalität und Technik in die Waagschale.
Da ist zum einen die bestechend klare Stimme der in Holland geborenen, unter
anderem in Berlin ausgebildeten und nun in Köln lebenden Belgierin Eva Buchmann –
die freilich auch klassischen Swing perfekt interpretieren kann, wie sie als aktuelle
Lead-Sängerin des Glenn Miller Orchestras beweist. Hier erklingt sie mal mit dem
folkigen Unterton einer Joni Mitchell, mal mit dem Understatement einer Norah
Jones. Sie kann hauchzart begleiten und in der Gospeltradition explodieren – beides
beim „Empowerment“-Song „Say A Prayer“ zu hören -, ganz ruhig und tief Balladen
grundieren (wie in „Here We Are“) oder sich kraftvoll in große Höhen schwingen und
auch verblüffend lange dort verbleiben (etwa in „Turning Pages“); sie dringt mit
emotionsgeladene Texten wie von „How Much Longer“ unter die Haut und direkt ins
Herz, kann aber auch aber auch mit rein klangmalerischen Vokalisen im Walzertakt
tanzen wie bei „Jael“.
Stets wird das von der in Basel und Berlin ausgebildeten Schweizerin Sonja Huber
am Vibrafon ideal begleitet, ergänzt und weitergeführt. Man hört ihrem harmonischen
und melodischen Verständnis an, dass sie vom Klavier kommt. Und dass sie, als sie
mit 16 zum Vibrafon wechselte, bei David Friedman und anderen Großen der Zunft
gelernt hat. Insbesondere ihre unverkopfte Virtuosität kommt der eines Gary Burton
sehr nahe. Ob sie den Metallplatten ganz sparsam Töne entlockt, um sie sanft
ausklingen zu lassen wie schon eingangs auf „Acre of Land“ oder praktisch nur
Begleitakkorde im Stakkato anschlägt, ob sie die Mallets wirbeln lässt, den Klang
ihres Instruments pulsieren oder wie Glocken erklingen lässt oder etwa in „Field Trip“
und „Here We Are“ mit Bogenstrich für sphärische, schillernde Sounds sorgt, auf
„Tales For My Mother“ wird das ganze Potenzial ihres Instruments ausgeschöpft und
in den Dienst der Songs gestellt. Je nach Stimmung und Emotion lässt Huber ihr
Instrument mitatmen, passt sie mit genauem Gehör die Dynamik an, wird sie quasi
zur Traumbegleiterin.
So sehr das Album von der Ruhe und Intimität lebt, so sehr ist es doch Buchmanns
und Hubers Sinn für Rhythmik und die Kunst der Pause, die es ganz besonders
macht. Und dass einem diese „Tales For My Mother“ so unter die Haut gehen, liegt
nicht zuletzt daran, dass auf die sonst bei einer Album-Produktion üblichen Tricks
verzichtet wurde. Buchmann und Huber nahmen alle Stücke im September 2020 live
im Konzertsaal des Alten Pfandhaus in Köln auf. Gleichzeitig wurde alles auf Video
festgehalten, parallel zur Audio-Stream wird nun auch ein Song pro Monat als
Musikvideo erscheinen, bis zu einer Vinyl-Edition im Februar 2022 als krönendem
Abschluss.
So wird dieses Album zum einzigartigen Projekt, das zugleich Ausdruck des Spirits
der jungen Jazzer-Generation ist, der Buchmann und Huber angehören. Ergebnis
einer Lust an der Improvisation, die ohne Scheuklappen durch die Musikgeschichte
streift und die Qualitäten des klassischen Songwritings zu schätzen weiß. Beim
Lottchen-Meisterwerk „Tales For My Mother“ kommt die Kraft aus der Ruhe. Es ist
gewissermaßen die Mutter aller Vibrafon/Gesangs-Alben.
(Oliver Hochkeppel)

Eva Buchmann – Vocals
Sonja Huber – Vibrafon

Eintitt: 20/15€

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